Wie Aireal Audio-Werbung vollständig automatisieren will
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Aireal hat große Visionen für Werbungtechnologien im Medium Radio
© IMAGO /Panthermedia
Die Ad-Tech-Plattform Aireal hat sich zum Ziel gesetzt, die Werbetechnologie für Audio vollständig zu automatisieren und auch lineares Radio in Echtzeit buchbar zu machen. Wie genau das aussehen soll, erklärt der Chef des Start-ups.
Es ist schon einige Jahre her, als Audiopublisher und -vermarkter ein wichtiges Ziel ausgaben. Sie wollten Online Audio und lineares Radio vollautomatisiert und angereichert mit zusätzlichen Daten in Echtzeit buchbar machen, um mit anderen digitalen Werbeträgern gleichzuziehen. Während das programmatische Buchen von onlinebasierten Audio-Inventaren schon vor Jahren gelang, tut sich die Branche damit im linearen Radio noch schwer und ist bislang nicht über Versuche hinausgekommen.
Den ersten dieser Art unternahm der Ad-Tech-Dienstleister Audio CC schon im November 2017 zusammen mit der Agentur Mediaplus und dem Kunden Apollo (Horizont 47/2017). Im Sommer dieses Jahres folgten dann zwei weitere Tests. Einen hat Studio Gong in Kooperation mit dem Ad-Tech-Spezialisten Amy, der Agentur GroupM, Radio Gong 96.3, dem Tech-Unternehmen Raudio.biz und weiteren Partnern realisiert. Den anderen Test-Case setzte Raudio.biz unter anderem mit Energy, Mediaplus und Amy um.
Nun läuft sich ein weiterer Ad-Tech-Spezialist bei dem Thema warm. Dabei handelt es sich um das Hamburger Unternehmen Aireal, das erst im Mai gegründet wurde und an dem die Oschmann-Tochter Media Flow mehrheitlich beteiligt ist. Chef des Start-ups ist Markus Adomeit, der ein zentrales Problem beheben will, das vor allem die programmatische Ausspielung von Audiokampagnen im UKW- und DAB+-Radio hemmt. "Die Werbetechnologie für Audio ist bisher nicht vollständig automatisiert." Deshalb können weder Agenturen noch Publisher die Werbepotenziale für sich ausschöpfen, ist Adomeit überzeugt.
Aireal will das ändern, indem es mit seinem System Audio Ad Router die gesamte Werbekette vom Publisher über die Agenturen bis zum Vermarkter für lineare und nichtlineare Audioangebote automatisiert. Damit soll die Basis geschaffen werden, auf der die beteiligten Akteure künftig konvergente Programmatic-Audio-Kampagnen in Echtzeit so umsetzen können, dass es keinerlei händischen Eingriffs mehr bedarf. "Unser Anspruch war es, UKW und DAB+ genauso schnell automatisch ansteuern zu können, wie es in Online Audio möglich ist", erklärt Adomeit. "Darauf sind die bestehenden Systeme originär erst einmal nicht eingestellt." Die volle Automatisierung der Buchungs- und Auslieferungskette ist aber die Voraussetzung für programmatische Buchungen in Echtzeit. Wenn sie gelingt, lassen sich Werbebotschaften an aktuelle Ereignisse knüpfen, Audiokampagnen relevanter machen und umfangreichere Zielgruppen ansprechen, was mehr Umsatz verheißt.
Aireal sieht den USP seiner Plattform darin, die Inventar- und Zielgruppeninformationen, Pricings und Werbemittel automatisiert zu übermitteln, bereitzustellen und zu reporten. "Wir ermöglichen dies in einer ganzheitlichen Technologie-Chain zum Beispiel aus einer DSP bei der Agentur bis in das Programm der Publisher", so Adomeit. Der eigentliche Prozess der Werbeausspielung soll via Audio Ad Router "sehr einfach und schnell" gehen. So dauert es laut Adomeit nicht einmal mehr eine Sekunde, um einen Spot vom Vermarkter zum Sender zu liefern.
Anders als der Mitbewerber Raudio.biz (Seite 45) will Aireal nicht in der Werbevermarktung tätig werden. Vielmehr versteht sich das Unternehmen als Enabler. Das heißt, es schafft lediglich die Möglichkeit, Audiokampagnen automatisiert auszuspielen. "Welchen Weg die Marktteilnehmer damit beschreiten, hängt von deren Verträgen miteinander ab", so Adomeit. Bislang sind es nach seiner Darstellung mehrere Umstände, die den Einsatz von Programmatic vor allem im linearen Radio verhindern. Zum einen erfordern die tradierten Buchungsketten immer noch viel manuelle Arbeit, zum anderen sind sie teilweise nicht an Schnittstellen anbindbar.
Zudem sind die im Einsatz befindlichen Buchungssysteme im Radio weder für automatische Buchungsketten noch für den Geschwindigkeitsbedarf programmatischer Ausspielungen vorgesehen. Aireal will aber auch diese Bestandssysteme an seinen Audio Ad Router anbinden und so eine nahtlose Buchungskette für programmatische Audiokampagnen schaffen. Durch die Möglichkeiten der Schnittstellen könnte der Audio Ad Router auch für andere Buchungskanäle wie die Online-Buchungsplattform AudioXchange (Seite 48), die im November live gehen soll, genutzt werden. Das wird den angebundenen Publishern einen erheblichen Geschwindigkeitsvorteil auch bei IO-Buchungen bieten, sagt Adomeit: "Die Anbindung an AudioXchange war bereits erfolgreich", berichtet er.
Für seine Dienstleistung verlangt Aireal eine Commission Fee, die sich an den Leistungsbestandteilen bemisst und an den Modellen bestehender SSPs orientiert. Bei der Automatisierung via Audio Ad Router sind Adomeit drei Dinge wichtig. Erstens müssen alle Audiokanäle für die Einkaufenden so buchbar werden, wie es die Online-Medien bereits ermöglichen. Zweitens sollen die Audio-Publisher bei dieser Lösung stets die Kontrolle über ihre Inventare behalten und drittens will er keinen Walled Garden schaffen, sondern mit seiner Plattform "ein hohes Maß an Kompatibilität von Systemen" bieten.
Inzwischen konnte Aireal den Audio-Vermarktungsprimus RMS für einen Test gewinnen. Die Partner haben für die Kombi Big FM National in Echtzeit eine Programmatic-Radio-Kampagne für den Werbekunden Decathlon realisiert, die vom 16. bis 21. Oktober zu vorher ausgehandelten Konditionen (Programmatic Guaranteed) lief. An ihr waren auch die Agentur Pilot und Virtual Minds beteiligt. Pilot bediente die einbuchende DSP Active Agent für seinen Kunden Decathlon, der Einsatz der SSP Media Manager und dieEchtzeitanbindung der Big-FM-Programme erfolgte über Aireal. Im Test-Case war die komplette Strecke inklusive des Spot-Abrufs digitalisiert und wurde in Echtzeit ausgeliefert.
Gebucht wurde nach einer zielgruppenorientierten Logik und nicht nach festen Zeitschienen. Dabei hat sich die SSP jene freien Werbeplatzierungen gesucht, die zur Zielgruppe der 14- bis 49-Jährigen gepasst haben, die DSP erhielt dann in Echtzeit einen Auslieferungsbeleg. Der programmatische Spot lief als zusätzliche Position im Anschluss an den linearen Werbeblock. Wie Matthias Schenk, Leiter Partner Management bei RMS, berichtet, wurde aber nur dann ein Spot im freien Werbeslot ausgeliefert, wenn sich dort der gewünschte Zielgruppen-TKP realisieren ließ. Andere Werbeslots mit geringer Zielgruppenausschöpfung wurden nicht berücksichtigt, da sie zu teuer waren. Insgesamt kamen in diesem Programmatic-UKW-Case während einer Woche rund 4 Millionen Kontakte bei den 14- bis 49-Jährigen zustande.
Schenk ist mit dem Ergebnis zufrieden: "Vor einem Jahr, als wir begonnen haben, uns mit dem Projekt zu befassen, haben wir von Branchenexperten wie auch von vielen Radioveranstaltern die Rückmeldung bekommen, dass Radio nicht flächendeckend in Echtzeit planbar sei", blickt er zurück. "Mit diesem Case zeigen wir die technische Machbarkeit für eine Umsetzung in Echtzeit auf." Nun arbeitet RMS am Ausbau des Tests und will dem Markt bald ein skalierbares Produkt anbieten. Adomeit bezeichnet den Test als Meilenstein: "Galt UKW vor Kurzem noch als nicht programmatisch machbar, konnten wir mit Latenzen von Sekunden die Kampagne anfragen, buchen und nach Ausspielung reporten." Nun will der Aireal-Chef weitere Partner für sein System Audio Ad Router gewinnen.
Auch personell rüstet Adomeit auf. Im Sommer holte er Aleksandar Rustemovski als Director Business Development von der Radio-Kombi Südwest. Rustemovski verantwortet den weiteren Aufbau der Plattform und hilft Publishern bei der Umsetzung der Lösung. Im nächsten Jahr wird Jan Poelmann, bislang noch Chef von AudioXchange, zu Aireal stoßen und nach Adomeits Worten die Demand-Side-Lösungen in Deutschland sowie anderen Märkten verantworten und entwickeln.